Gerade in der Personalauswahl stehen wir häufiger vor der Herausforderung, erkennen zu müssen, ob unser Gesprächspartner flunkert oder nicht. In der Regel haben wir ein gutes Bauchgefühl, das uns die Situation einschätzen lässt. Doch das lässt sich täuschen. Oft genug unterliegen wir einer kognitiven Verzerrung, einer sogenannten Heuristik. Diese kann dafür sorgen, dass wir ein abweichendes Urteil fällen. Wenn beispielsweise ein Bewerber eine Nase wie Onkel Willie hat, und wir Onkel Willie noch nie leiden konnten, hat der Bewerber vermutlich keine guten Karten.

Wie können wir nun die Glaubwürdigkeit einer Aussage beurteilen? Dazu schauen wir in die Vernehmungstechnik, die Kriminalbeamte und Staatsanwälte beherrschen. Man kann hier zwischen 8 Qualitätskriterien einer Aussage unterschieden.

  1. Detailreichtum der Aussage: Je detaillierter die Aussage ist, desto wahrscheinlicher ist, dass sie wahr ist. Dennoch droht hier eine Gefahr. Die betreffende Person könnte etwas tatsächlich Erlebtes oder etwas über die Medien Erlebtes in die Erzählung projizieren. So etwas stellt eine hohe Anforderung an den Lügner – er muss geistig sehr beweglich sein und über eine gute Intelligenz verfügen. Daher ist eine ungefähre Einschätzung der Intelligenz wichtig. Welche geistige Reichweite hat mein Gegenüber?
  2. Individuelle Besonderheiten: Die Wahrnehmung bei Erlebtem ist immer individuell. So ist eine emotionale, individuelle Wiedergabe ein Indiz für Wahrheit, denn es rückt scheinbar Belangloses in den Fokus. Das kann auch darin bestehen, dass der Betreffende etwas nicht versteht.
  3. Verknüpfung mit nachweisbaren Faktoren: Wenn sich Details der Aussage mit nachweisbaren Fakten decken, dann ist das ein Zeichen für Wahrheit. Dennoch kann es sich auch hier um eine punktuelle Täuschung handeln. Interessant wäre daher eine spontane Erweiterung der Erzählung mit Fakten, die sich nachweisen lassen.
  4. Konstanz: Wenn das Gesagte inhaltlich, sprachlich und die Schilderungen situativ gleich bleiben, ist die Glaubwürdigkeit hoch. Beispielsweise sind starke Abweichungen im Bericht über ein und dieselbe Sache ein Indiz, dass zumindest im Erleben des Erzählers ein Bruch ist.
  5. Homogenität: Man kann auf eher unwichtige Details achten. Diese sollten sich nahtlos in das Gesamtbild einfügen. Auch dies ist ein Indiz für Glaubwürdigkeit.
  6. Ungeordnete, erklärbare Beschreibungen: Ein Lügner ist nur selten in der Lage, Geschehnisse ungeordnet wiederzugeben. Das liegt daran, dass er die Geschichte konstruiert hat. Zeitliche Sprünge fordern dem Lügner eine extrem hohe geistige Beweglichkeit ab.
  7. Spontane Erweiterungen: Ist der Gesprächspartner in der Lage, spontan Lücken zu füllen, zu präzisieren und die Erzählung zu erweitern, so ist er eher glaubwürdig. Lügner versuchen in aller Regel genau dies zu vermeiden, da bei konstruierten Geschichten leichter Widersprüche auftauchen.
  8. Beschreibung be- und entlastender Umstände: Normalerweise sind gerade bei Aussagen zu kriminaltechnisch relevanten Sachverhalten günstige und ungünstige Schilderungen gemischt. Ist eine Aussage sehr einseitig, ist dies eher ein Indiz für die Unwahrheit. Dies betrifft allerdings eher Aussagen im kriminalistischen Umfeld.

Diese Kriterien sind eher als Hinweis zu verstehen. Eine eindeutige Formel, die zweifelsfrei belegt, ob etwas eine Lüge ist, gibt es nicht. Dennoch können wir unsere Trefferquote verbessern, wenn wir die Kriterien im Hinterkopf behalten und ein paar elegante Fragen stellen. Viel Spaß beim Beobachten.

 

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