Man stelle sich eine Welt vor, in der Straftaten gar nicht erst ausgeführt würden, weil die Straftäter vorher dingfest gemacht würden. Kinder könnten wieder auf den Straßen spielen, Frauen nachts alleine nach Hause gehen und die Welt wäre friedlicher. Welch eine Idylle… Klingt etwas nach „Minority Report“, nicht wahr? Weit gefehlt, es passiert direkt vor unserer Haustür und betrifft Asylbewerber.

Nun könnte man einwenden, dass ja nur die Gefährder eingesperrt würden, nicht unbescholtene Bürger. Da gibt es nur ein paar Probleme:

  1. Solange es Justizirrtümer gibt, ist so eine Vorgehensweise mit einem humanistischen Ansatz und mit den Menschenrechten nicht vereinbar.
  2. Interessant wird die Sache, wenn man sich anschaut, wer denn letztendlich entscheiden wird, ob es ein Gefährder ist oder nicht? Die Menschen, die ihn ohnehin nicht im Land haben wollen? Und wer sagt, dass ein Asylbewerber ein Gefährder ist? Das Regime, vor dem er geflüchtet ist?
  3. Es gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung. Die Unschuldsvermutung besagt in Kurzform „In dubio pro reo“ – Im Zweifel für den Angeklagten. Seit dem Zeitalter der Aufklärung ist dieser Grundsatz als Rechtsprinzip gefordert und in jüngster Vergangenheit auch weitestgehend anerkannt. Er bildet einen Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit.
  4. Wenn nun die Unschuldsvermutung aufgegeben wird, um „vorsorglich“ Menschen in Gewahrsam nehmen zu können, bedeutet das die Einführung der Schuldvermutung. Damit ist es kein Rechtsstaat mehr! Nun könnte man einwenden, es gelte ja „nur“ für Asylbewerber. Dann lese man sich einmal die 30 Paragraphen der Menschenrechte durch. Wenn Menschen entrechtet werden aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder anderer Merkmale, dann handelt es sich um einen totalitären Ansatz. Frei nach dem Motto: Trump macht’s vor und alle laufen ihm, wie die Lemminge, nach.

Wer nun meint, es sei ihm egal, er möchte Sicherheit um jeden Preis, der gefährdet meiner Meinung nach die demokratische Grundordnung. Wieder Andere denken vielleicht: „Wir sind doch die Guten!“ Tut mir leid, sind wir nicht! Durch unser Konsumverhalten mit einer „Heile-Welt“-Symptomatik haben wir mitangesehen, wie Menschen in Afrika, Asien und Südamerika verarmt sind. Immer noch denken manche, dass das nichts mit ihnen zu tun hat. Wir haben Armut zugelassen und die steht nun vor unserer Tür und klopft an.

Immer noch könnte man denken, dass das nicht bei uns passiert. Doch genau darüber debattieren österreichische Politiker zur Zeit (25.2.2019). Unsere Nachbarn. Sind wir wirklich so selbstgefällig geworden, dass wir die Demokratie und die Menschenrechte für ein bisschen Bequemlichkeit opfern? Es geht hier nicht darum politisch korrekt zu sein, es geht hier um nichts anderes als die Grundsäulen unseres Rechtsstaates und als überzeugter Europäer geht mich die zerfallende Rechtsstaatlichkeit unserer österreichischen Nachbarn etwas an. In dubio pro reo – möge ich mich irren und nur Gespenster sehen! Noch nie wollte ich mich so sehr irren!

P.S.: Und nur, um das eindeutig klarzustellen: Es geht mir nicht um Narrenfreiheit. Im Gegenteil, Straftaten müssen strikt verfolgt und geahndet werden. Nur auf welcher Grundlage das passiert, das ist die Frage.

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