Zuerst ist es grundlegend wichtig, dass wir uns eines klar machen: Nicht immer ist Widerstand eine Folge rationalen Vorgehens. Das bedeutet: Selbst wenn ein Team einverstanden ist mit einer bestimmten Veränderung, kann es immer noch zu Widerstandsreaktionen kommen. Widerstand kann Ausdruck eines rationalen Entschlusses sein, jedoch wird er andererseits immer von einem emotionalen Impuls angetrieben sein.

Das Ärgerliche daran ist, dass man als Führungskraft meistens einen hervorragenden Plan hatte, der für alle gut gewesen wäre. Jedoch sehen das nicht alle Beteiligten so. Allgemein kann man zwei Dimensionen von Widerstandsreaktionen unterscheiden. Die Akzeptanz der Motive. Ziehen die Widerständler am gleichen Strang mit Ihnen und haben lediglich eine andere Vorstellung vom Weg? Dann ist die Akzeptanz hoch. Andernfalls ist sie gering, was meistens für unangenehme Spannungen sorgt. Die zweite Dimension ist die negative Wirkung. Diese kann stark oder schwach sein. Ist die Wirkung stark, müssen Sie handeln. Da führt kein Weg dran vorbei. Wie Sie dies tun, hängt im Wesentlichen von der Akzeptanz der Motive ab: Ist diese gering, werden Sie in die Konfrontation gehen müssen oder aber den Störer isolieren. Die Konfrontation bedeutet dabei immer eine direkte Auseinandersetzung und einen Machtkampf. Manchmal kommt man nicht an dieser Variante vorbei. Sie sollten auf jeden Fall und unter allen Umständen darauf achten, dass Ihr Gegenüber das Gesicht nicht verliert. Diese Verletzungen und Demütigungen sind wahre Zeitbomben, die einem zu den unpassensten Augenblicken um die Ohren fliegen können. Isolieren bedeutet, dass Sie die Angelegenheit separiert unter vier Augen behandeln. Diese Form der Reaktion bietet sich meist an und wird auch in professionellen Konfliktvermittlungen gerne genutzt.

Ist die Akzeptanz dagegen hoch, integrieren Sie den Widerstand. Dazu thematisieren Sie die Bedenken im Team, analysieren und planen gemeinsam. In diesem Fall gilt die alte Weisheit, dass Störungen Vorrang haben. Bei schwacher Wirkung können Sie den Widerstand ignorieren, wenn die Akzeptanz gering ist. Zwar ist der Betreffende deutlich anderer Meinung, wenn jedoch keinerlei ernsthafte Wirkung hinsichtlich des Projektes zu befürchten ist, braucht man nicht aktiv zu werden. Eine stille Beobachtung reicht in diesem Fall völlig aus. Ist die Akzeptanz hoch und die Wirkung schwach, bedeutet das, dass die Haltung nachvollziehbar ist. In diesem Fall tolerieren Sie die alternative Betrachtungsweise. Der Unterschied zwischen „Tolerieren“ und „Ignorieren“ ist, dass Sie beim Tolerieren offiziell den Widerstand respektieren. Das kann eine tolerierte Abgrenzung des Betreffenden bedeuten oder schlicht ein Versagen der Teilnahme an bestimmten Prozessen.

Abb.: Interventionsmatrix zum Umgang mit Widerstand[1]

Eine häufige Reaktion, die öfter bei Führungskräften vorkommt, ist, den Widerstand persönlich zu nehmen. Das wiederum führt häufig zu unbewussten Provokationen und letztendlich zur Eskalation in einen Konflikt. Daher ist es grundlegend wichtig, das wir verstehen, dass die Reaktionen aus dem Team in den allerseltensten Fällen persönlich gemeint sind. Oft haben wir es mit Projektionen zu tun. Dabei werden Emotionen, Affekte oder Wünsche aus dem eigenen Erleben auf einen oder mehrere Andere im Außen übertragen. Mitunter werden solche Reaktionen auch durch Schlüsselreize ausgelöst.

Widerstand kann man grob in zwei Dimensionen aufteilen. Er kann sich verbal und nonverbal zeigen und er kann passiv oder aktiv sein. Daraus ergibt sich eine Matrix, die Gührs und Nowak formuliert haben.[2]

Abb.: Erscheinungsformen von Widerstand

Zeigt sich der Widerstand aktiv und verbal, handelt es sich um einen handfesten Streit. Das kann von lautstarker Kritik bis zum Nörgeln gehen. Bei passiv verbalem Widerstand handelt es sich um Ausweichen. Das kann in Form von Themenwechseln, Ironisieren oder auch Verlegen auf unwichtige Details auftreten. Ist der Widerstand aktiv und nonverbal, so bezeichnen wir das als Agitation. Damit sind alle nonverbalen Mittel gemeint, angefangen vom Spielen mit den Handy über Lesen, Kichern bis hin zu Abwenden. Passiver, nonverbaler Widerstand zeigt sich meist durch Entziehen. Das kann durch Müdigkeit passieren, aber auch durch Krankheit oder „Vergessen“ des Termins.

Tauchen diese Formen des Widerstands gehäuft auf, sollten Sie genau hinschauen und gegebenenfalls einen Konfliktprofi, einen Mediator hinzuziehen. Eine Studie über Konfliktkosten in der Industrie hat gezeigt, dass nicht nur direkte Kosten zu beachten sind, sondern auch indirekte Kosten.[3] Wenn Sie sich vorstellen, dass zwei Teammitglieder einen Konflikt haben, so könnten beide jeweils eine halbe Stunde mit dem Konflikt beschäftig sein und unproduktiv arbeiten. Das sind im Monat 20 Personenstunden. Hinzu kommt die erhöhte Fehlerquote und gegebenenfalls der Einfluss auf die Kollegen. Wenn dann noch geplatzte Deadlines und Kundenfluktuation hinzukommen, gerät die Summe schnell in den fünf- bis sechsstelligen Bereich. Vom Ausmaß menschlichen Leids ganz zu schweigen. Es lohnt sich also, Widerstand zu erkennen und einzuordnen, damit man gegebenenfalls die Konflikte frühzeitig bearbeiten kann. Und wenn man gar nicht weiter weiß, kann man sich immer noch an einen professionellen Mediator wenden.

 

Der Persönlichkeitsscout

[1] Vgl.: Nowak, Claus, Geometrien der Veränderung, S. 205 f.

[2] Vgl. Nowak, Claus, Geometrien der Veränderung, S. 206 f.

[3] KPMG AG, Konfliktkostenstudie, 2009

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